„Wo liegt Südtirol eigentlich? In der Schweiz, oder?“ Das habe ich mein Gegenüber in den ersten sechs Monaten in München schon oft sagen hören. Oder aber auch „Sie kommen aus der Schweiz, richtig?“ Mittlerweile sind die meisten überrascht, wenn ich sage, dass ich nicht aus Deutschland komme. Sprache und Dialekte lassen sich erlernen, anpassen und weiterentwickeln.

Meine Heimat ist Südtirol, dort bin ich aufgewachsen.

Meine Eltern wohnen mitten in den Alpen und für mich bedeutet das, einen Rückzugsort zu haben, den ich jederzeit aufsuchen kann. Gewissermaßen ein Luxus. Aber das habe ich erst verstanden, nachdem ich vor zehn Jahren aus Südtirol weg gezogen bin. Wie man so vieles erst dann versteht, wenn man es „nicht mehr hat“.

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Berge

Ich wollte schon immer raus aus Südtirol und mehr von der Welt sehen, als das klassische Südtiroler Einzugsgebiet zwischen Verona und Innsbruck. Südtirol ist ein wunderschönes Land und obendrein ist es ein gesegnetes, glückliches Land, unter anderem weil es sich autonom verwalten kann. Durch das 1946 unterzeichnete Gruber-Degasperi-Abkommen im Rahmen der Pariser Friedenskonferenz wurde der Grundstein für die Südtiroler Autonomie gelegt. Südtirol genießt wie vier weitere Regionen in Italien einen individuell geregelten Sonderstatus. Auch das ist ein Grund, warum es in Südtirol den allermeisten Menschen sehr gut geht. Über die politische Lage werde ich mich an dieser Stelle nicht weiter äußern, aber die Zustände wie man sie von Berlusconis altem Italien kennt, sind nicht so weit weg, wie manche SüdtirolerInnen glauben.

Südtirol ist wie eine Quattro Stagioni

Südtirol ist wie eine Quattro Stagioni – für Leute, die nördlich vom Weißwurst-Äquator leben: das ist eine Pizza Vierjahreszeiten. Es ist also für jeden was dabei. Im Winter gibt es zahlreiche Skigebiete mit malerischem Panorama. Ich habe beispielsweise im Skigebiet Carezza am Karerpass mit drei Jahren zum ersten Mal auf zwei Brettern gestanden. Die Bergfahrt mit dem Korblift auf die Kölnerhütte werde ich nie vergessen: der Liftboy oder mein Vater haben mich an der Kapuze gepackt und wie einen nassen Sack in den Korb gestellt. Geschmeidige 23 min. später war man auch schon oben am Fuße des Rosengartens und konnte die einmalige Aussicht von König Laurin genießen.

Der Rosengarten:
Mittlerweile wurde er sogar zum UNESCO Weltnaturerbe ernannt.

Wenn man in München einen Aperol Spritz bzw. einen Veneziano bestellt, wundert sich niemand über eine Rechnung von 6,50 €. In Südtirol kriegt man dafür locker zwei. Das Schöne daran: sie schmecken auch noch hundert Mal besser. Wer im Frühling bei mediterranen Temperaturen durch die Landeshauptstadt Bozen schlendert, kommt nicht umhin, bei den legendären Fischbänken von Wirt Cobo (Rino Zullo) in der Dr.-Streiter-Gasse einen Aperitif zu trinken.

Spätestens dann sollte man im perfektem Mix aus alpenländischer Kultur
und mediterranem „dolce vita“ angekommen sein.

Im Sommer kriegt man bei 35°C im Schatten nicht nur Sonne pur ab, sondern auch einen kostenlosen Italienischkurs im Fluchen: tritt jemand barfuß auf den glühend heißen Asphalt, ist ein lautstarkes „porco“ oder „cazzo“ zu hören – egal welcher Sprachgruppe die Leute angehören. Geflucht wird auf Italienisch, so viel steht fest. Ob man zur Abkühlung  in den Montiggler See, in den Kalterer See oder 50 Autominuten später in den Gardasee springen soll, sind die einzigen Sorgen an solchen Tagen. Ich bin nach wie vor ein großer Fan vom Lago di Monticolo, also dem Montiggler See, es gibt den großen und den kleinen. Wenn du Deine Ruhe haben willst, besuch‘ den letzteren.

Wer an Südtirol denkt, denkt zwei Sekunden später ans Essen. Und nicht nur an Speck oder Knödel. Mein kulinarisches Highlight – weil einmalig – ist das im Herbst stattfindende Törggelen. In den sieben bis acht Wochen wird jeder Buschenschank oder jeder Bergbauernhof von Einheimischen und Touristen besucht. Man kann gar nicht so schnell schauen, wie die Nadel der Körperwaage aufgrund von „Keschtn“ (Maroni, Kastanien), hausgmachten Würsten und „Schlutzer“ (Schlutzkrapfen) sowie dem süßen „Moscht“ (Mostwein) nach oben schnellt. Nimm‘ Bargeld mit, denn wo man mit Kreditkarte zahlen kann, bist du im Zweifel in einer Tourifalle gelandet.

Apropos Kohle: Wusstest du, dass der Landeshauptmann in Südtirol
mehr verdient als die deutsche Bundeskanzlerin Merkel?

Wer über die viergeteilte Pizza hinaus noch mehr Informationen rund um das gastgeberfreundliche Südtirol sucht, wird hier fündig: www.suedtirol.info

Insider-Tipp

Ein letzter, kleiner Insider-Tipp von mir: Eine einmalige Gelegenheit, um im Norden Italiens sprichwörtlich nach den Sternen zu greifen ist das Sternendorf Gummer im Eggental. Dort kann man in Südtirols einziger Sternwarte, inmitten der Dolomiten, den funkelnden Sternenhimmel über den Alpen betrachten. Und im benachbartem Planetarium mit moderner Technologie alles über die Geschichte des Universums lernen. In solchen Momenten der inneren Ruhe vergisst man auch den Gedanken zu Angies Gehalt.